Conjoint Analyse – Eine Einführung

Es sei darauf hingewiesen, daß hier nur die Grundprinzipien der Conjoint Analyse dargestellt werden und dies in stark vereinfachter Weise. Dem Leser, der zur Einführung einen ausführlicheren Einblick in das Verfahren erhalten möchte, ist folgende Literatur zu empfehlen:

Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., & Weiber R. (1994). Kapitel 9: Conjoint-Measurement. In K. Backhaus et al. (Hrsg.), Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Vertiefung (7. Aufl., S. 498-554). Berlin: Springer.

Hair, J.F., Anderson, R.E., Tatham, R.L., & Black, W.C. (1995). Chapter 10: Conjoint analysis. In J.F. Hair et al. (Eds.), Multivariate data analysis (4th ed., pp. 556-615). Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall.

Zur Vertiefung des Kenntnisstandes ist vor allem der erste Teil des Buches von Vriens (1995) zu empfehlen:

Vriens, M. (1995). Conjoint analysis in marketing. Developments in stimulus representation and segmentation methods. Groningen: SOM.

Die Conjoint Analyse ist ein Verfahren, das hauptsächlich zur Analyse von Präferenzen und Einstellungen sowie zur Prognose von Kaufabsichten eingesetzt wird. Mögliche Fragestellungen, für die die Conjoint Analyse ein geeignetes Instrument ist, wären: Welche Merkmale von Autos sind für den Konsumenten wichtig? Welchen Nutzen stiften die Ausprägungen einzelner Merkmale? Welches Auto würde von den Konsumenten am stärksten präferiert werden?

Zur Beantwortung dieser Fragen sind grundsätzlich zwei komplementäre Vorgehensweisen geeignet. Zum einen läßt sich die Beurteilung einzelner Merkmale und Ausprägungen direkt erfragen, etwa "Wie finden Sie die Farbe Rot bei einem Auto?" und "Wie wichtig ist Ihnen das Merkmal Farbe?". Aus den Einzelurteilen läßt sich das Gesamturteil einzelner Autos erschließen. Dieses wird sozusagen komponiert. Man bezeichnet diese Vorgehensweise daher auch als kompositionellen Ansatz. Im Gegensatz dazu ist das Vorgehen der Conjoint Analyse dekompositionell. Es werden Gesamtbeurteilungen von ausgewählten Objekten erfragt, die anschließend in Einzelurteile bezüglich der Merkmale und Ausprägungen dieser Objekte zerlegt, dekomponiert, werden.

Ein Beispiel soll die Vorgehensweisen verdeutlichen. Ein Autohersteller, der an der Produktion eines neuen Fahrzeugs interessiert ist, beauftragt zwei Marktforschungsinstitute, die Präferenzen möglicher Konsumenten zu erforschen. Das Marktforschungsinstitut 1 bedient sich einer kompositorischen Vorgehensweise. Auf Ratingskalen werden die Vorlieben für bestimmte Merkmalsausprägungen und die Wichtigkeit der Merkmale erfragt. Zwei dieser Einschätzungen lauten:

Wie wichtig finden Sie die Farbe des Fahrzeugs?

unwichtig 1-----2-----3-----4-----5-----6-----7 wichtig

Wie beurteilen Sie die Farbe "Rot" bei einem PKW?

schlecht 1-----2-----3-----4-----5-----6-----7 gut

Unter Annahme einer bestimmten Verknüpfungs- oder Präferenzfunktion läßt sich anhand dieser Einzelurteile der Gesamtnutzen aller möglichen Objekte bestimmen. Es muß also festgelegt werden, wie die Einzelurteile in das Gesamturteil "einfließen", d.h. auf welche Weise die einzelnen Ausprägungen "verrechnet" werden. Zumeist werden die Beurteilungen der Ausprägungen mit der Wichtigkeit des Merkmals (multiplikativ) gewichtet und additiv zu einem Gesamtnutzenwert verknüpft. Das Gesamturteil stellt in diesem Fall die Summe der Einzelurteile dar. Man addiert sozusagen den Nutzen, den die Farbe "Rot" einem verspricht mit dem Nutzen des Preises von 30000 DM sowie dem Nutzen der übrigen Merkmale und errechnet auf diese Weise den Gesamtnutzen eines bestimmten Autos.

Das Marktforschungsinstitut 2 setzt dagegen die Conjoint Analyse ein. Den Befragten der Zielgruppe werden nicht einzelne Fahrzeugmerkmale und Ausprägungen zur Beurteilung vorgegeben, sondern Beschreibungen von Autos, die anhand mehrerer Merkmale charakterisiert sind. Tabelle 1 zeigt beispielhaft zwei solcher Beschreibungen.

Auto 1

Auto 2

Ledersitze

Veloursitze

Opel

BMW

30000 DM

40000 DM

120 PS

130 PS

Rot

Schwarz

Tabelle 1: Profilbeschreibung von zwei Autos anhand von fünf Merkmalen.

Die dargestellten Autos sind jeweils anhand von fünf Merkmalen charakterisiert: Sitze, Marke, Preis, Leistung und Farbe. Um den Beitrag dieser Merkmale und den der Ausprägungen zu ermitteln, müssen auch im Fall der Conjoint Analyse Annahmen über eine Verknüpfung der Beiträge der Einzelurteile (sog. Teilnutzen) zu einem Gesamturteil (Gesamtnutzen) vorhanden sein. Dabei wird ebenfalls zumeist von einer additiven Verknüpfung ausgegangen. Anders als beim kompositionellen Verfahren wird das Gesamturteil jedoch auf den Beitrag der Ausprägungen "zurückgerechnet". Es gibt eine Reihe statistischer Verfahren, die geeignet sind, aus den Gesamturteilen den Teilnutzen der Ausprägungen zu berechnen. Die Eignung des jeweiligen Verfahrens hängt von dem Skalenniveau der abhängigen Variable ab. Diese kann Intervall-, Ordinal- oder auch Nominalskalenniveau aufweisen. Intervallskaliert sind die Beurteilungen etwa in dem Fall, daß die Beurteilungen in Form von Ratings oder in Form von abgestuften oder kontinuierlichen Paarvergleichen vorliegen. Ordinalskalierte Werte liegen vor, wenn Objekte in einer Rangreihe angeordnet werden oder ein dichotomer Paarvergleich vorgenommen wird. Nominalskalenniveau weisen einfache Wahlen wie bei der Auswahl eines Objektes aus einer Menge von Objekten auf.

Damit sich die Gesamturteile auf die Teilnutzen zurückrechnen lassen, ist eine Anzahl von Beurteilungen erforderlich, die von der Anzahl der Merkmale und Ausprägungen abhängt. Dies wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wieviele Objekte sich aus den Kombinationen der Merkmale bilden lassen. Weisen die fünf Merkmale des Autobeispiels jeweils drei mögliche Ausprägungen auf, lassen sich durch die Kombinationen 35=243 Autos erzeugen. Bei vier Ausprägungen sind dies bereits 45=1024 Autos. Da man keiner Person so viele Urteile zumuten kann, ist man auf die Verwendung fraktionierter Designs angewiesen. Fraktionierte Designs zeichnen sich dadurch aus, daß sie den Interviewaufwand erheblich reduzieren, indem den Probanden nicht alle, sondern nur ausgewählte Stimuli präsentiert werden. Es gibt eine Reihe fraktionierter Designs. Beispiele hierfür finden sich bei Addelman (1962). Anwendungsbeispiele für die Conjoint Analyse stellen Backhaus, Erichson, Plinke und Weiber (1994) dar.

Im Falle von Paarvergleichen ermöglichen computergestützte Verfahren mittlerweile adaptive Vorgehensweisen. Damit ist gemeint, daß nachfolgende Paarverleiche von den Antworten des Probanden bei vorigen Paarvergleichen bestimmt werden. Die Paare werden so konstruiert, daß sie hinsichtlich der abhängigen Variablen möglichst ähnlich sind. Werden beispielsweise Präferenzen erfragt, weisen beiden Objekte einen nach Maßgabe der früheren Antworten möglichst ähnlichen Nutzen auf. Somit werden dem Probanden Vergleiche von Objekten, die sich in ihrem Nutzen stark unterscheiden, erspart.

Anhand der geschätzten Teilnutzenwerte der einzelnen Ausprägungen läßt sich nun auf umgekehrtem Wege der Gesamtnutzen von Objekten bestimmen, die sich aus den Kombinationen der Merkmale bilden lassen. Dies können sowohl real existierende als auch hypothetische Objekte sein, unabhängig davon, ob diese durch den Probanden beurteilt wurden oder nicht. Zudem läßt sich an den Teilnutzenwerten ablesen, in welcher Weise Nachteile bezüglich eines Merkmals durch Vorteile anderer Merkmale kompensierbar sind. Anhand des Autobeispiels seien diese Möglichkeiten verdeutlicht. Nehmen wir an, daß aus den Antworten eines Probanden die in Tabelle 2 dargestellten Teilnutzenwerte für die einzelnen Merkmalsausprägungen geschätzt wurden.

Merkmal

Ausprägung

Teilnutzenwert

Sitze

Veloursitze

0

 

Ledersitze

15

Marke

Opel

0

 

BMW

30

Preis

30000 DM

35

 

40000 DM

0

Leistung

120 PS

0

 

130 PS

10

Farbe

Rot

15

 

Schwarz

0

Tabelle 2: Teilnutzenwerte der einzelnen Merkmalsausprägungen für das Autobeispiel.

Ermittelt werden soll nun der Gesamtnutzen (u, nach dem englischen Begriff utility) der beiden in Abbildung 1 dargestellten Autos. Für das Auto 1 ergibt sich folgender Gesamtnutzenwert:

u (Ledersitze, Opel, 30000 DM, 120 PS, Rot) = 15 + 0 + 35 + 0 + 15 = 65

Entsprechend beträgt der Gesamtnutzenwert des Autos 2:

u (Veloursitze, BMW, 40000 DM, 130 PS, Schwarz) = 0 + 30 + 0 + 10 + 0 = 40

Aus den Gesamtnutzenwerten läßt sich schließen, daß der Proband das Auto 1 gegenüber Auto 2 bevorzugt. Wie läßt sich nun das Auto 2 verändern, damit dieses präferiert wird, d.h. wie lassen sich dessen Nachteile kompensieren? Wie man an den Teilnutzenwerten ersehen kann, würde eine Senkung des Preises um 10000 DM genügen. Daraus ergibt sich ein Gesamtnutzen von 0+30+35+10+0=75 für das veränderte Auto. Auch eine gemeinsame Veränderung der Farbe und der Sitze könnten die Nachteile kompensieren. Der Gesamtnutzen des veränderten Autos würde 15+30+0+10+15=70 betragen.

Die auf diese Weise berechneten Gesamtnutzenwerte bieten die Möglichkeit, für spezifische Objekte Marktanteile zu prognostizieren. Darin liegt vor allem die Attraktivität des Verfahrens für die Marktforschung begründet.

Zusammenfassung der wesentlichen Grundzüge der Conjoint Analyse